Mitten im Salzatal ragt der Berg von Johannashall empor. Hier hat sich der Osterhase seine Behausung eingerichtet. Dank einer Maschine, die einem Vulkan ähnelt, verteilt er die Ostereier in der Umgebung. Vor einiger Zeit ist sein Freund der Sandmann eingezogen. Und seitdem wird es nie langweilig im Oster-Vulkan.
Nach dem letzten Osterfest war der Osterhase sehr erschöpft. Er hatte Tag und Nacht gearbeitet, um überall kleine bunte Überraschungen zu verstecken. Er freute sich auf eine Pause und lümmelte auf der Couch oder im Liegestuhl herum. Während andere weit weg in den Urlaub reisten, verbrachte er die Zeit lieber mit viel Ruhe und Gemütlichkeit in seinem Zuhause.
Eines Tages, Herr Langohr lag gerade draußen in der Frühlingssonne, las ein spannendes Buch und nippte an einem frischgepressten Möhrensaft, da rumpelte es im Oster-Vulkan. Kurz danach hört er ein Klappern. Und dann schepperte es auch noch! Der Osterhase wäre vor Schreck beinahe von seiner Liege gefallen. Stattdessen kippte er sich den Möhrensaft aufs Fell. So ein Mist! Was war denn hier los?
„Sandmann? Bist du das?“, rief er in den Berg hinein. Doch es kam keine Antwort zurück.
Das habe ich mir bestimmt nur eingebildet, dachte sich der Hase. Schließlich geht’s in meinem Buch ja auch gerade aufregend zu. Damit beruhigte er seine zitternden Barthaare und steckte die Nase zurück in die Seiten.
Wenig später polterte es erneut. Der Osterhase rutschte in seinem Liegestuhl zusammen. Er klappte die Ohren an und machte sich klein. Wieder rief er nach dem Sandmann, diesmal aber mit zaghafter, dünner Stimme. Und wieder blieb es still, niemand antwortete. Der Hase überlegte. Was waren das für Geräusche in seinem Bau? Wenn keiner außer ihm daheim war, wie konnte es dann rumoren? Meister Langohr wusste nicht, was er tun sollte. Inzwischen begann es zu dämmern und um den Berg huschten die ersten Schatten des Abends. Da fürchtete er sich gleich noch mehr und zog sich in den Bau zurück. Die Pforte verschloss er gleich doppelt und stellte zur Sicherheit, oder zur Beruhigung, noch einen schweren Stuhl davor.
Das Abendessen wollte ihm gar nicht recht schmecken. Immer wieder lauschte er in den Hasenbau hinein. Doch diesmal blieb es ruhig. Als er ins Bett ging, hatte er die Geräusche vom Tag schon beinahe vergessen. Er rollte sich unter seiner Kuscheldecke zusammen und freute sich auf die süßen Träume. Mit einem Mal krachte es so laut, dass die Zimmerwände wackelten und sogar das Foto von Oma und Opa Hase vom Nagel fiel. Der Osterhase saß kerzengerade im Bett, zog sich die Decke über den Kopf und zitterte am ganzen Fell. Jetzt war er sicher: Es spukte im Oster-Vulkan! Und er saß als Angsthase im Bett und fürchtete sich. Moment mal: Er sagte doch immer zum Sandmann, nichts würde ihm Angst machen, wenn dieser den doofen Kinderreim „Angsthase, Pfeffernase, morgen kommt der Osterhase!“, rief. Jetzt war es Zeit das zu beweisen!
Der Hase holte tief Luft und atmete allen Mut, der in seinem Schlafzimmer zu finden war, ein. Dann kletterte er aus dem Bett, schlüpfte in seine Pantoffeln und griff nach der Taschenlampe. Nun schlurfte er aus dem Zimmer und folgte dem schmalen Lichtkegel durch die Gänge des Vulkan-Berges. Er leuchtete in alle Ecken und hinter jeden Vorhang. Er inspizierte die Ostermaschine und die Lagerräume. Überall ging er entlang und suchte nach einer Erklärung für die merkwürdigen Laute. Doch diesmal war es mucksmäuschenstill. Gespenstisch still. Und anstatt der gruseligen Geräusche glaubte er, Schatten umherhuschen zu sehen die sich vor dem Taschenlampenlicht versteckten. Da war schon wieder einer! Schwups, verschwand er durch den schmalen Spalt der Küchentür. Der Osterhase folgte ihm auf Zehenspitzen. Ganz langsam schlich er den dunklen Flur entlang und spähte in die Küche hinein. Hier war es still wie überall. Nur der Kühlschrank brummelte vor sich hin. Aber in einer Zimmerecke, da wo der Osterhase seine Lieblingsmöhren lagerte, war ein kleiner Lichtschimmer zu sehen, über den sich eine Gestalt beugte. Wollte ihm hier jemand die Möhrchen klauen? Meister Langohr spürte, wie es in ihm anfing zu brodeln. Bei seinen Möhren verstand er keinen Spaß! Er spannte seinen ganzen Hasenkörper wie eine Feder an, dann sprang er auf den Schatten zu und riss ihn von den Beinen!
„Heh, was soll denn das?“, klang die Stimme des Sandmanns aus der Zimmerecke hervor, in die der Osterhase ihn mit seinem Sprung geschubst hatte.
„Was machst du denn hier Sandy?“, fragte der Hase seinen Freund, „Hast du eine Ahnung wie sehr du mich erschreckt hast?“
Der Sandmann holte tief Luft und nahm seinen Kumpel in den Arm. Er war nur auf der Suche nach einem Mitternachtsimbiss. Das hatte alles nichts zu bedeuten, beruhigte er ihn und schickte ihn zurück ins Bett.
Endlich konnte der Osterhase sich wieder entspannen. Sandys Erklärungen klangen logisch und die Geräusche vom Tag waren längst vergessen. Unter seiner Kuscheldecke schlief er ganz schnell ein.
Am nächsten Morgen staunte der Hase nicht schlecht: In seinem Bau hatte der Frühling Einzug gehalten! Überall standen frische Blumen und hübsche Dekorationen! Die Fenster waren frisch geputzt. In Blumenkästen blühten Gänseblümchen und Hyazinthen. Und an den Wänden hingen frühlingshafte Bilder! Am Esstisch erwartete ihn der Sandmann mit einem leckeren Frühstück. Er hatte mit Hilfe der fleißigen Mäuse heimlich ihr Zuhause geschmückt, um dem Osterhasen nach seiner anstrengenden Arbeit eine Freude zu bereiten. Dabei war es leider nicht ganz leise zugegangen und sie hatten Sorge, dass der Hase sie entdeckt.
Das Langohr war überglücklich, was er für tolle Freunde hatte, und ließ sich das Frühstücksmöhrchen besonders gut schmecken.
© Tina Kaltofen. Alle Rechte vorbehalten.