Die Osterhasen-Überraschung

In den letzten Wochen war der Trubel im Oster-Vulkan schier unerträglich. Überall standen Überraschungen herum, wurden durch die Gänge transportiert und mit der Ostermaschine ins Salzatal befördert. Der Osterhase arbeitete Tag und Nacht. Alles musste rechtzeitig erledigt sein. Sein bester Freund Sandmann, der bei ihm wohnte, hatte das Langohr seit Tagen nicht mehr zum gemeinsamen Frühstück gesehen. 

Am Morgen nach dem Osterfest hatte Sandy den Frühstückstisch besonders hübsch gedeckt. Heute würde sein Kumpel gewiss mehr Zeit für ihn haben, schließlich war sein Job erledigt und er hatte den Kopf wieder frei für andere Dinge. Aber der Kaffee wurde kalt, die Butter warm und die Möhrchen trocken. Der Sandmann wartete vergeblich. Der Osterhase war so kaputt, dass er es nicht mal aus dem Bett schaffte. Da wurde Sandy traurig und trottete in sein Zimmer zurück. Während er durch den Hasenbau lief, fielen ihm die kahlen Wände und die tristen Gänge auf, wo sich vorher die bunten Ostergeschenke stapelten. Kein Wunder, schließlich hatte vor lauter Trubel niemand Zeit, den Oster-Vulkan frühlingshaft zu schmücken. Da kam dem Sandmann eine Idee, die ihn sofort wieder zum Strahlen brachte.

Er rief die fleißigen Mäuse herbei, die ebenfalls im Berg wohnten und bei jeder Gelegenheit gern halfen. Gemeinsam wollten sie ihr Zuhause fit für den Frühling machen und den Osterhasen überraschen. Die größte Herausforderung dabei war, dass das Langohr den ganzen Tag daheim war und sie um ihn herum arbeiten mussten, ohne dass er es merkte. Da war ein guter Plan nötig! In seinem Zimmer bemalte Sandy ein Bettlaken mit allen Aufgaben, die zu erledigen waren: von Blumen besorgen, über Fenster putzen, bis Bilder aufhängen. Dahinter notierte er, wer sich darum kümmern sollte. Und damit der Hase den Plan nicht entdeckte, versteckte Sandy das Bettlaken unter dem Kopfkissen. Die Mäuse eilten sofort los und wuselten durch die Gänge. Ständig ermahnten sie sich gegenseitig, leise zu sein. Eine Gruppe trug eine Leiter herbei und stellte sie vor eines der größten und schmutzigsten Fenster. Aus der entgegengesetzten Richtung kamen zwei andere mit einer Kiste voller Putzmittel angelaufen. Oh weh, die zwei waren zu schnell. Sie blieben nicht rechtzeitig stehen. Ihre Kiste knallte mit Wucht gegen die Leiter, die mit lautem Rumpeln, Klappern und Geschepper zu Boden fiel. Die Nager und der Sandmann standen wie angewurzelt und hielten den Atem an. Hoffentlich hatte der Osterhase das nicht gehört!

Nachdem sie sich versichert hatten, dass der Hase weiterhin in seinem Liegestuhl faulenzte, gingen alle wieder an die Arbeit. Sie durften keine Zeit verlieren. Als Nächstes waren die Blumenkästen an der Reihe. Sie wurden mit frischen Gänseblümchen und Hyazinthen bepflanzt und anschließend in den Fensterrahmen befestigt. An einem der Kästen hatte sich über den Winter der Festhaltebügel gelockert. Weil unsere Helfer aber so zahlreich anpackten, bemerkten sie den Defekt gar nicht. Erst als sie mit vereinten Kräften den Blumenkasten ins Fenster stellten und sein Gewicht den lockeren Bügel verbog, entdeckten sie das Malheur. Doch da war es schon zu spät. Mit ohrenbetäubendem Poltern rutschte der Kasten von der Fensterbank. Den Mäusen gelang es, rechtzeitig beiseite zuspringen. Nicht auszudenken, wenn das schwere Ungetüm eine von ihnen erwischt hätte. Und wieder stand alles still, hielt den Atem an und hoffte. Auch dieses Mal hatte der Osterhase sie scheinbar nicht gehört. Was für ein Glück sie doch hatten!

Sandy und die Mäuse arbeiteten so eifrig, dass sie kaum merkten, wie die Zeit verging. Es dämmerte bereits und der Hase würde bald hereinkommen. Sie deckten ihre Vorbereitungen sorgsam mit Tüchern ab, damit er sie in den Gängen nicht entdeckte. Schließlich wollten sie ihm die Überraschung nicht verderben. Manchmal, wenn ein Luftzug durch den Bau wehte, flatterten die Stoffe etwas im Wind. Aber bis zum nächsten Morgen würde es wohl halten. 

Sie hofften, der Osterhase würde vor Erschöpfung tief wie ein Stein schlafen. Denn sie mussten noch die Nägel für die Frühlingsbilder in die Wände einschlagen. Sandys Plan sah vor, dass alle Nägel im ganzen Bau gleichzeitig und mit drei festen Hammerschlägen angebracht werden sollten. Falls das Langohr die Geräusche bemerkte, sollten sie schnell wieder vorbei sein, so dass er sie für einen Traum hielt. Was Sandy aber nicht bedacht hatte, war die Erschütterung, die durch seine Idee entstand. Nach lautem, kurzem Krach waren alle 27 Nägel in der Wand, aber die Wände hatten dabei gewaltig gewackelt. Und der Hase saß aufrecht in seinem Bett.

Jetzt war es zu spät! Der Osterhase lief bereits mit einer Taschenlampe durch den Bau und spähte in alle Ecken. Die fleißigen Helfer hofften, er würde ihre Vorbereitungen nicht entdecken und versteckten sich so gut sie konnten. Irgendwo kam ein Windhauch her und die Abdecktücher begannen leicht zu flattern. Im Dämmerlicht der Nacht sahen sie beinahe aus wie Schatten, die durch die Flure schwebten. Der Sandmann schlich auf Zehenspitzen zur Küche. Er wollte noch das Frühstück für den nächsten Morgen vorbereiten. Da folgte ihm der Schein der Lampe und er konnte gerade noch rechtzeitig ins Zimmer huschen, bevor der Hase ihn anleuchtete. Ganz leise ging er zur Möhrenkiste und suchte die feinsten Möhrchen für seinen Freund heraus. Plötzlich spürte er eine Bewegung hinter sich, ein Luftzug, dann ein harter Gegenstand, der ihn am Kopf traf und eine Hasenschulter, die ihn in die Zimmerecke schubste.

„Heh, was soll denn das?“, schimpfte er den Osterhasen an.

„Was machst du denn hier Sandy?“, fragte der Hase seinen Freund, „Hast du eine Ahnung wie sehr du mich erschreckt hast?“

Da holte der Sandmann tief Luft, nahm seinen Kumpel in den Arm und erzählte etwas von nächtlichem Hunger. Und dass er sich manchmal heimlich einen Mitternachtsimbiss suchte. Als der Osterhase sich beruhigt hatte, schickte er ihn wieder zurück ins Bett. Jetzt konnte Sandy endlich die Überraschung zu Ende bringen.

Am nächsten Morgen entfernten sie die Tücher von den frühlingshaften Dekorationen. Dann warteten sie darauf, dass der Osterhase erwachte. Als der schlaftrunken in die Küche schlurfte und ihm beim Anblick der vielen hübschen Überraschungen beinahe die Augen aus dem Kopf fielen, waren alle zufrieden mit ihrem Werk und stolz auf ihre Arbeit.

So etwas macht man eben für seine Freunde!