Das Katapult-Turnier am Krähenberg bei Fienstedt

Bei einem Spaziergang von Fienstedt über die Felder zum Saaleufer begegnet man im Herbst vielen Raben und Krähen. Gemeinsam mit den kühleren Winden kommen sie zum Überwintern aus dem Norden zu uns. Aber nicht nur das Wetter treibt sie ins Salzatal. Und nicht nur die Krähen treffen sich hier jedes Jahr. Doch lasst uns die Geschichte von vorne beginnen.

Seit vielen tausend Jahren kommen im Herbst, wenn die Felder abgeerntet und umgepflügt sind, bei Fienstedt die Kobolde aus aller Welt zusammen. Sie treffen sich, um ihren wichtigsten sportlichen Wettkampf auszutragen: das Katapult-Turnier! Dabei werden die frischen Erdklumpen vom Feld gesammelt und mit selbstgebauten Geräten um die Wette geschleudert. Wer mit seiner Wurfmaschine den Wettstreit um die höchste Flugbahn, den weitesten Wurf und den schwersten Klumpen gewinnt, dem sind Ruhm und Ehre seiner Artgenossen und ein goldglänzender Pokal gewiss. Jeder Kobold, der etwas auf sich hält, will eine solche Trophäe mit nach Hause nehmen.

Das ganze Jahr tüfteln die Kobolde an ihren Katapulten. Sie entwerfen die unterschiedlichsten Maschinen, die sie über lange Strecken zum Turnierplatz transportieren. Manche Teilnehmer sind wochenlang unterwegs. Ab und zu müssen sie mit dem Beginn der Meisterschaften auf verspätete Mitspieler warten. Dann nutzen sie die Zeit zum Üben, zum Fachsimpeln und für allerhand Schabernack im Salzatal.

Je ausgefeilter die Geräte mit den Jahren wurden, umso verbissener führten die Kobolde ihren Wettkampf. Immer mehr Regeln kamen hinzu und nicht selten gerieten sie in Streit über die Größe der Katapulte, die Güte der Erdklumpen, die Auslegung der Wettkampfregeln und zuletzt sogar übers Wetter. Sie fetzten sich so sehr, dass manchmal nicht nur garstige Worte, sondern auch Fäuste und Erdklumpen flogen. Schlussendlich kam es so weit, dass sie schon vor dem Wettkampf so bitterlich zankten, dass ihre Katapulte ungenutzt herumstanden.

Ein Schiedsrichter musste her. Da waren sie sich einig. Doch wer war schlau genug, um die vielen Turnier-Regeln in kürzester Zeit zu lernen? Und wer konnte das riesige Spielfeld überblicken, ohne dass ihm etwas entging? Einer allein war dieser Aufgabe nicht gewachsen. Aber mehrere, eine Gruppe aus vielen, denen traute man das zu. Und so fiel die Wahl auf die schwarzgefiederten Krähen, die zum Überwintern ganz in der Nähe waren. Die Kobolde gingen mit hängenden Köpfen zu den Krähen und baten sie um Hilfe. Die schlauen Vögel berieten sich und fanden sogleich Bedingungen, die sie für eine Besserung der Lage für wichtig hielten.

Die Kobolde ließen sich darauf ein und haben diese Entscheidung bis heute keinen einzigen Tag bereut. Denn die Krähen begannen prompt das monströse Regelwerk zu vereinfachen und die häufigsten Streitpunkte zu entwirren. Ein lautes Krächzen signalisierte fortan, dass ein eindeutiges Ergebnis vorlag ohne jeden Grund zum Zanken. Im gleichen Jahr, als die Krähen zu Schiedsrichtern ernannt wurden, fand das erste Katapult-Turnier ohne Streiterei statt. 

Nach kurzer Zeit kamen immer mehr Zuschauer. Es sprach sich herum, dass man großartige Wettkämpfe beobachten und sich am Spielfeldrand wunderbar amüsieren konnte. Aus dem weltweiten Kobold-Wettstreit war dank der klugen Schiedsrichter-Krähen ein Herbst-Fest geworden, das sich weder Tiere noch Fabelwesen entgehen ließen.

Die Menschen bekommen seit jeher von dem ganzen Tumult nichts mit. Ihnen fällt nur auf, dass von dem Berg auf den Feldern bei Fienstedt jedes Jahr lautstarkes Krächzen von zahlreichen Krähen herüberschallt. So bekam der Krähenberg auch seinen Namen und ist bis heute Austragungsort des weltweit bekannten Katapult-Turniers. Also passt gut auf, dass ihr nicht in die Flugbahn eines Erdklumpens geratet. Es wäre doch schade, wenn der Streit der Kobolde dann wieder ausbricht.