Frau Holles Sommerhaus bei Beesenstedt

 Vor vielen Jahren gab es einen glühend heißen Sommer. Selbst hoch oben in den Wolken, wo Frau Holle wohnte, schwitzten alle um die Wette. Goldmarie und Pechmarie waren in den Ferien und die gute Frau Holle langweilte sich fürchterlich. Die Kinder auf der Erde spielten den ganzen Tag im Freien, sie badeten, fuhren mit dem Rad und kühlten sich beim Eisessen ab. Niemand rief nach den Schneeflocken aus Frau Holles aufgeschüttelten Betten. Da beschloss sie, ebenfalls Urlaub zu machen! Mit dem Notwendigsten im Gepäck verließ sie das Wolkenhaus und reiste mit einer Sternschnuppe zur Erde.

Abseits von Beesenstedt wurde sie in einem Wäldchen abgesetzt. Frau Holle entdeckte an einem Bachlauf ein verlassenes Gebäude mit einem alten Mühlrad. Hier gefiel es ihr! Sie richtete sich gemütlich ein und reparierte alles, was kaputt war. 

Als das Wasserrad wieder funktionierte, sprang der Bach begeistert über die hölzernen Schaufeln. Leider führte er bei der sommerlichen Hitze nicht genug Wasser, um es anzutreiben. Da griff Frau Holle nach einer mannshohen Kurbel und gab dem Rad einen kräftigen Schubs. Mit ohrenbetäubendem Krachen und Poltern begann es sich in Bewegung zu setzen. Doch was war da los? Als die Wassertropfen übers Rad liefen, verwandelten sie sich in kleine weiße Schneeflocken. Die schwebten durch die Waldluft und tanzten mit dem Rinnsal ins Tal hinab. Je mehr Wasser übers Mühlrad floss, umso mehr Schneeflocken erfüllten die Sommerluft. 

Die Tiere, die gerade im Bachlauf tranken, hoben skeptisch ihr Köpfe. Da kamen weiße Flocken auf sie zu geschwommen! Als dann die kühlen Kristallblumen auf ihre Nasenspitzen hüpften und sie abkühlten, war schnell alle Vorsicht dahin. Die Waldtiere schleckten die frischen Eiskristalle auf, bis ihre Mäuler ganz taub und kaltgefroren waren. Das war eine tolle Erfrischung! 

Ein Teil der Schneeflocken hatte am Bachufer leuchtend rote Walderdbeeren gestreift. Ihre weiße Hülle hatte die Farbe gewechselt und schimmerte jetzt rosa. Andere spielten zwischen grünen Waldmeisterblättern und bekamen davon grüne Tupfen. Doch nicht nur ihre Farbe war verändert. Auch den Geschmack der Pflanzen hatten die Flocken angenommen. Und so tanzten die Schneeflocken als rosafarbenes Erdbeereis und als grünes Waldmeistereis den Bachlauf hinab. 

Die Waldtiere waren aus dem Häuschen! Frau Holle hatte aus der alten Ruine eine Eismühle gemacht! Die Erdbeeren, der Waldmeister, die Brombeeren und die Himbeerfrüchte, alles, was am Bachlauf wuchs, sorgte für neue, fruchtige Eissorten. Es dauerte nicht lange bis die Menschen aus der Umgebung von dem Eisbach und der Eismühle erfuhren. In Scharen kamen Spaziergänger und Ausflügler, um die leckeren Erfrischungen zu probieren.

Frau Holle begann mit den Schneeflocken zu experimentieren. Sie vermischte sie mit Vanillepudding oder mit Schokosauce. Heraus kamen Vanille- und Schokoeis, das reißend Abnehmer fand. Bald schon war Frau Holles Sommerhaus als „die Eismühle bei Beesenstedt“ überall bekannt. Da hatte sie gewiss keine Langeweile mehr.

Als der Sommer zu Ende ging, häuften sich die Regenfälle. Der Bachlauf schwoll an und konnte allein übers Mühlrad fließen. Ohne Frau Holles Hilfe ging jedoch der Zauber der Schneeflocken verloren. Die Besucher blieben aus und die Tiere bereiteten sich auf ihre Winterruhe vor. Frau Holle verabschiedete sich von allen und versprach im nächsten Sommer wiederzukommen. Dann reiste sie mit der nächsten Sternschnuppe zurück ins Wolkenhaus und bereitete ihre Betten auf den herannahenden Winter vor.

Von da an verbrachte Frau Holle jeden Sommer in der Eismühle und es sollte ihr nie wieder langweilig werden.