Der Bootsunfall von Schiepzig

Eines Tages war es merkwürdig leer an der Uferböschung, wo man sonst schon von Weitem ein tierisches Gewusel hörte. Alle versteckten sich im hohen Gras, in den Büschen und hinter Bäumen und blickten gespannt aufs Wasser. Vom Fluss schwappten Menschengeräusche herüber. Eine Gruppe Jugendlicher war am oberen Flusslauf in ein Schlauchboot gestiegen und wollte damit die Saale überqueren. Mit kleinen Paddeln und langen Armen waren sie drei, vier Meter weit gekommen. Sie hatten gelacht, gejubelt und ihr Vorankommen lautstark gefeiert. Aber dann ging alles ganz schnell. Eine tückische Strömung erfasste das Boot. Seine Insassen erschraken so sehr, dass ihnen die Paddel ins Wasser fielen. Sie beugten sich weit über den Rand und streckten die Arme ganz lang aus, um sie wieder einzufangen. Doch die Ruder waren längst davongetrieben. Das Boot geriet ins Wanken. Mit einem kräftigen Ruck warf es die Jugendlichen über Bord und kippte um!

Bis zu den Tieren an die Badestelle drang das Geschrei der Schiffbrüchigen. Und während sich die Badegäste versteckten, versuchten die Menschen in der Strömung zu schwimmen und das umgekippte Schlauchboot zurückzudrehen. Aber beim besten Willen, es gelang ihnen nicht. Stattdessen waren sie plötzlich unter dem Gefährt wie unter einer Glocke eingeschlossen! Sie kämpften, um wieder herauszukommen. Doch das Boot saugte sich wie ein Gummiring an der Wasseroberfläche fest. Und der Luftvorrat der Jugendlichen wurde langsam knapp.

Die Biber beobachteten das Geschehen mit großer Sorge. Normalerweise hielten sie viel Abstand zu den Menschen. Denn manche zerstörten ihre Behausungen, jagten und vertrieben sie. Aber jetzt mussten die Rettungsschwimmer eingreifen, sonst ertrank da noch jemand. Alle erwachsenen Biber stürzten sich ins Wasser und tauchten lautlos in die Saale hinab. Vorher hatten sie sich noch abgesprochen. Ein Teil der Gruppe sollte auf der Rückseite das Schlauchboot abstützen, während der andere Teil am Bug und am Heck kräftig drückte. Beim ersten Versuch rutschten sie ab. Die Strömung war zu stark und trieb das Boot weiter fort. Da änderten sie ihre Technik. Zuerst schoben sie es gemeinsam ans Schilf am gegenüberliegenden Ufer. Hier lag das Schlauchboot ruhiger im Wasser und die Biber konnten sich alle dagegenstemmen, um es wieder umzudrehen. „Hau ruck! Hau ruck!“, klang es zum Strandbad hinüber. Das Boot wankte schon verdächtig. Noch zwei kräftige Schubser, dann kippte es mit einem lauten Platschen um und die Köpfe der Menschen kamen zum Vorschein.

Schnell und lautlos tauchten die Rettungsbiber wieder ab und verschwanden im dunklen Fluss. Die erschöpften Jugendlichen hielten sich zitternd an ihrem Schlauchboot fest. Mit letzter Kraft halfen sie sich gegenseitig hinein. Und wie ein Wunder trieben plötzlich auch die Paddel wieder neben ihnen im Wasser. Sie angelten sie heraus und steuerten damit zu einer flachen Uferstelle. Dort schleppten sie sich auf allen vieren an Land. Und während sie langsam wieder zu Kräften kamen, schworen sie, jeden mit einer ähnlich leichtsinnigen Idee davon abzuhalten. 

Unsere Biber wurden von ihren tierischen Freunden mit einer großen Party gefeiert. Und anschließend legten sie sich in ihre Liegestühle auf der Biberwiese und ließen sich von den warmen Sonnenstrahlen die Pelze trocknen.